Geschichten zum Abschied
Auf den Wellen der Erinnerung – Der Angler
„Unser Onkel Ralf war Lehrer mit der Fachrichtung Biologie. Um sich vom lebhaften Schulalltag zu entspannen, ging er in seiner Freizeit am liebsten zum Angeln. Bereits in seiner Kindheit hat er seinem Papa hier immer Gesellschaft geleistet.
Da er sich mit der Natur sehr verbunden fühlte, möchten wir bei der Gestaltung seiner letzten Reise hier den Schwerpunkt legen. Wir haben uns für eine Seebestattung entschieden. Die Trauerfeier findet vor der Einäscherung statt. Die Dekoration soll einen maritimen Charakter haben: Sein Öko-Sarg, Fischernetze, seine besten Angeln und sein klappbares Stühlchen sollten hierbei integriert werden. Im Hintergrund läuft ein Video über die Unterwasserwelten und das Leben der Tiere in den Weltmeeren.
Seiner Verbundenheit mit der maritimen Welt, den Seen, Flüssen und dem Meer, möchten wir für seine letzte Reise noch einmal Ausdruck verleihen. Als musikalische Begleitung haben wir uns ,Sailingʻ von Rod Stewart ausgesucht, ,Der Tag am Meerʻ von Die Fantastischen Vier und ,La merʻ von Claude Debussy. Für die Trauerrede sorgt der evangelische Pfarrer.
Die Tischdekoration ist in der Farbe Blau gehalten. Neben Kaffee und Kuchen möchten wir Fischbrötchen servieren. Am Nachmittag gehen wir (nur die Familie und enge Freunde) zu seinem Angelsee Brauel und werden dort noch einmal seiner gedenken. Die spätere Seebestattung mit der Versenkung der Urne im Meer werden wir ebenfalls im familiären Rahmen begleiten.“
Was bleibt, ist der Duft von Lavendel – Die Gärtnerin
„Meine Mutter hat immer gesagt, dass ihre Schwester manchmal so eigenbrötlerisch ist. Aber das war sie gar nicht. Tante Friederike hatte sehr viel zu erzählen: über die Blumen, die Bäume und besondere Pflanzenarten. Sie hielt sich gerne stundenlang in ihrem Garten auf. Sie beschäftigte sich mit allem, was grünt und blüht. Sie unterhielt sich sogar mit ihren Pflanzen.
Im Sommer saßen wir oft in ihrem Garten. Den Duft von ihren Lavendelsträuchern sowie den Anblick der farbenprächtigen Rhododendren werden wir niemals vergessen.
Als sie verstarb, haben wir uns viele Gedanken gemacht. Hätte sie eine Baumbestattung in der Natur gewünscht? Letztlich jedoch haben wir uns für eine Sargbestattung entschieden. Dabei hat jeder von uns seine Lieblingsblume auf den Sarg gemalt – das war für alle sehr tröstlich, insbesondere für die Kinder. Üppigen bunten Blumenschmuck sowie Bilder ihres Gartens, ihre grüne Gießkanne und den langen Gartenschlauch wünschen wir uns als Dekoration. Da ich mich mit ihr besonders verbunden fühle, halte ich die Trauerrede. Mein Bruder wird ,The Roseʻ von Bette Midler auf der Gitarre spielen und jeder, der mitsingen möchte, ist dazu herzlich eingeladen. Tante Friederike hatte viel Humor, das letzte Lied wird ,Pflanz‘ Lavendel auf mein Grabʻ sein, gesungen von Tim Fischer. Jeder Trauergast erhält eine Einladung mit einem für ihn ausgesuchten Blumenfoto und die Kaffeetafel nach der Beisetzung soll in der Farbe Violett ausgerichtet werden – denn es ist vor allem der Geruch von Lavendel, der unsere Erinnerungen an Tante Friederike immer begleitet.“
Ein Leben fürs Fleckvieh – Der Landwirt
„Mit den Hühnern aufstehen und spätabends raus aus dem Stall. Opa Albert war mit Leib und Seele Landwirt. Von klein auf hatte er bereits seine Eltern bei der Arbeit auf dem Hof begleitet und ihnen bei der Versorgung der Tiere geholfen: Da gab es Schafe, Ziegen und Hühner sowie einen eigenen Bienenstock. Am liebsten jedoch hielt er sich schon damals bei den Kälbern auf. Jedes Rind hatte seinen eigenen Namen. Die Leute kamen aus der gesamten Region gerne zu ihm. Er unterhielt einen eigenen Hofladen. Hier gab es frische Eier, leckeren Honig, die beste Milch und Bio-Fleisch vom Feinsten.
Als Kinder genossen wir bei ihm die frische Landluft, den Umgang mit den Tieren und vor allen Dingen hat er uns viel über artgerechte Tierhaltung und Bio-Lebensmittel beigebracht.
Wir haben uns bezüglich seiner Bestattung für einen Öko-Sarg entschieden. Dabei wünschen wir uns statt Blumen lieber Heuballen – und in der Mitte steht der Sarg. Außerdem sollen Fotos von ihm und seiner Lieblingskuh Erna als Dekoration aufgestellt werden. Eine alte Melkmaschine aus dem vergangenen Jahrhundert, seine Mistgabel und seine Stallstiefel würden den Abschied besonders persönlich machen.
An seinem Grab trinken wir alle ein Glas Milch und lassen Luftballons in den Himmel steigen. Die Trauerrede soll Pater Mertens halten, denn zu ihm hatte er ein gutes Verhältnis. Nur die Musik, die muss keinen ländlichen Charakter haben. Wir nehmen die Lieder, die er gerne gehört hat: ,Yellow Submarineʻ, The Beatles, ,Have A Nice Dayʻ von Gitte und Frank Sinatras ,My Wayʻ. Und zum Schluss fahren wir mit den Kindern mit dem Traktor noch einmal über den Hof.“
Ein Duft von Grießpudding und Schweinebraten – Die Oma
„Bestimmt sagen viele Menschen ,Meine Oma war die Besteʻ, aber unsere Oma Marianne war wirklich die Beste. Als Kinder waren wir oft am Wochenende bei ihr. Wir schauten abends zusammen ,Wetten, dass …?ʻ und durften uns mit ihren Klamotten verkleiden. Was uns aber in besonderer Erinnerung bleibt: Sonntags gab es bei ihr meist Schweinebraten und zum Nachtisch Grießpudding – das Lieblingsgericht unseres Vaters.
Dabei holte sie ihr bestes Porzellan heraus, die frisch gestärkte Tischdecke und silberne Serviettenringe. Sie dekorierte den Tisch liebevoll mit Kerzen und meistens mit gelben Tulpen.
Oma wird im Grab von unserem Opa beigesetzt, der leider viel zu früh gestorben ist. Wir haben uns einen edlen Tannensarg ausgesucht mit verspielten Schnitzereien. Das würde ihr gefallen. Als musikalische Begleitung wünschen wir uns ihre Lieblingslieder von Udo Jürgens, Abba und Harald Juhnke. Bei der Blumendekoration sollten unbedingt gelbe Tulpen die Hauptrolle spielen. Pfarrer Schmitz hält die Trauerrede und ich werde ein Gedicht ihres Lieblingspoeten vorlesen – ein Gedicht von Joachim Ringelnatz.
Die Kaffeetafel richten wir so aus, wie sie ihren Sonntagstisch gedeckt hat: Wir nehmen ihr Porzellan, ihre Kerzenständer, und neben Kuchen und Brötchen gibt es den Grießpudding nach ihrem Rezept – das haben wir in ihrer Küchenschublade gefunden. Und weil Oma Marianne die Beste war, verdient sie nur das Beste. Insbesondere zum Abschied.